Besichtigung Teilchenbeschleuniger am PSI

geschrieben von kuchenblechmafia, s3lph

Am 21. November 2025 haben wir einen Vereinsausflug ans Paul Scherrer Institut PSI in Villigen AG unternommen und dort an einer ca. dreistündigen Führung durch die verschiedenen Grossforschungsanlagen, hauptsächlich verschiedene Arten von Teilchenbeschleunigern, teilgenommen. Die Veranstaltung begann im PSI Visitor Center östlich der Aare mit einem halbstündigen Vortrag mit Informationen und Kennzahlen über das PSI sowie über die verschiedenen Teilchenbeschleuniger und ihre Anwendungsgebiete.

Protonenbeschleuniger

Nachdem wir alle einen Besucherausweis und Funkkopfhörer gefasst hatten, und zwei der Teilnehmenden mit einem Dosimeter ausgestattet wurden, begaben wir uns auf das eigentliche Gelände der Grossforschungsanlagen im PSI-Campus westlich der Aare, wo uns zunächst der Prozess gezeigt wurde, mit dem am PSI die freien Protonen erzeugt werden, welche in die Protonenbeschleuniger eingespeist werden: Mithilfe von Mikrowellen wird aus Wasserstoffgas ein Plasma erzeugt, in dem die Elektronen und Atomkerne (bei Wasserstoff zum allergrössten Teil einzelne Protonen) separat vorliegen. Die so erzeugten Protonen werden in einem ersten Schritt mit einem Cockcroft-Walton-Beschleuniger beschleunigt und anschliessend in einem Zyklotron-Beschleuniger, Injector 2 auf 37% der Lichtgeschwindigkeit gebracht.

Anschliessend ging es weiter in die Halle mit dem grossen Ringzyklotron, mit dem die Protonen aus dem Injector 2 weiter auf 79% der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einer Reihe Ausstellungstücke vorbei, bei denen es sich ursprünglich um Bestandteile des Beschleunigers handelte, die aber inzwischen ausgemustert wurden. Unter anderem war hier z.B. ein Gerät zur Messung der Protonenstrahlintensität ausgestellt, welches mit einem gespannten Metalldraht schnell durch den Protonenstrahl hindurchfährt und den so entstehenden Strom misst.

Die vom zweiten Zyklotron beschleunigten Protonen können nun entweder direkt verwendet werden, oder dienen als Strahlquelle zur Erzeugung von anderen hochenergetischen Teilchen wie Myonen oder Neutronen. Direkte Anwendungsgebiete sind zum Beispiel wissenschaftliche Versuche oder die Herstellung von Radionukliden für die Medizin.

Masstabgetreues Foto des Protonenzyklotrons auf der Betonverkleidung des Zyklotrons.
Masstabgetreues Foto des Protonenzyklotrons auf der Betonverkleidung des Zyklotrons.

Neutronenquelle

Als nächstes ging es weiter in die Nachbarhalle, in der die Neutronenquelle SINQ steht. Wie bei den Zyklotronen in der vorigen Halle gibt es hauptsächlich eins zu sehen: Meterdicke Betonblöcke, die den Strahlenschutz sicherstellen. Dafür wird das Funktionsprinzip allerdings an ausgestellten 3D-Modellen und Postern einfach verständlich erklärt:

Der Protonenstrahl aus dem Ringzyklotron wird durch eine Reihe an grossen und starken Magneten umgelenkt und in einen Block aus Blei geschossen. Hierduch findet im Blei eine Spallationsreaktion, die zur Freisetzung von Neutronen in alle Richtungen führt. Da diese Neutronen aber viel zu schnell sind, um für Experimente verwendet zu werden, ist das Blei-Target vollständig von schwerem Wasser (D2O) umgeben, welches als Moderator dient.

Die so gewonnenen Neutronen-Strahlen werden dann in verschiedene Versuchslabore umgeleitet. Ein nennenswerter Anwendungszweck für Neutronenbestrahlung sind z.B. bildgebende Verfahren, um organische Prozesse in hohlen Metallkörpern zu untersuchen: Während herkömmliche Röntgenstrahlen zwar weitestgehend ungehindert organische Stoffe durchleuchten können, werden sie von Metallen sehr stark absorbiert. Bei einer Neutronenbestrahlung ist es aber genau umgekehrt: Diese kann weitestgehend ungehindert Metalle durchdringen, interagiert aber leicht mit den Wasserstoffatomen in organischen Verbindungen. So kann man (als doch eher populärwissenschaftliches Beispiel) dem Wasser in einer metallenen Kaffekanne beim Kochen zusehen: YouTube: Neutron movie of coffee making

Zentrum für Protonentherapie

Weiter ging es ins Zentrum für Protonentherapie, wo wir zunächst hinter die Kulissen blicken konnten: In einer grossen Halle steht (wieder unter viel Betonverkleidung) ein weiterer Protonenbeschleuniger. Der hier erzeugte Protonenstrahl wird allerdings hauptsächlich zur Behandlung von bestimmten Tumorarten verwendet. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Bestrahlungstherapie mit Röntgenstrahlung lässt sich bei der Protonenbestrahlung die Tiefe, in der der Strahl seine Energie abgibt, sehr gut regulieren, und sich so die Strahlenbelastung für (in den meisten Fällen sehr junge) Patient*innen stark reduzieren.

Da wir die Führung am Abend gemacht hatten, fand kein Patientenbetrieb mehr statt, wodurch wir auch die Gelegenheit hatten, die Behandlungsräume selbst zu besichtigen. In den zwei grossen Behandlungsräumen sind jeweils über dem Roboterarm zur Befestigung der Patientenliege ein grosser Bestrahlungskopf montiert, welcher um die Liege drehbar ist, im neueren Behandlungsraum um 360°. Auch hier konnten wir wieder einen Blick hinter die Kulissen werfen: Hinter der weissen Verkleidung der Vertiefung für den Bestrahlungskopf verbirgt sich eine auf grossen Drehlagern ruhende Vorrichtung zur Umlenkung des Protonenstrahls, die in etwa so gross ist wie der Behandlungsraum selbst.

Um 360° drehbarer Bestrahlungskopf und der Roboterarm für die Patientenliege.
Um 360° drehbarer Bestrahlungskopf und der Roboterarm für die Patientenliege.

Der dritte Behandlungsraum ist etwas spezialisierter als die anderen beiden: Hier werden bestimmte Arten von Augentumoren bestrahlt. Hierzu wird ein am PSI entwickeltes Behandlungsverfahren angewendet, bei dem der Kopf der Patient*innen in einem Stuhl fixiert wird, und der Protonenstrahl genau auf die Form des Tumors angepasst wird.

Abschluss

Zum Abschluss der Führung warfen wir noch einen kurzen Blick in die «Swiss Light Source», ein Elektronen-Synchrotron (Ringbeschleuniger) sowie in den zentralen Kontrollraum des PSI, über den alle Grossforschungsanlagen überwacht werden, bevor wir uns zurück ins Visitor Center begaben, wo die Führung dann auch endete - mehr als eine Stunde später als ursprünglich geplant, da sich der Führer wirklich viel Zeit genommen hatte, uns alles zu zeigen und all unsere Fragen zu beantworten. Von hier aus fuhren dann einige von uns weiter nach Muttenz, wo wir in unserem Hackspace den Abend mit einem gemeinsamen Abendessen ausklingen liessen.